Falter-chans Schreibstube, Episode 12: Sex Sells II - Ästhetik
Disclaimer und Sicherheitshinweis:
bei Falter-chans Schreibstube geht es um Ratschläge zur Verbesserung von Qualitätsproblemen, die im FF-Archiv häufig sind. Es geht weder darum, die Leser zu großen Literaten zu machen, noch darum, Autoren, Fandoms, Schreibstile oder FFs schlecht zu machen oder zu demütigen. Der Weblog spiegelt allein die Meinung der Verfasser wieder. Schreiben ist natürlich eine Kunst, und Kunst ist flexibel – aber Qualität gibt’s halt trotzdem.
Außerdem geht es in diesem Eintrag um menschlichen Geschlechtsverkehr. Wer damit nicht umgehen kann, drehe bitte wieder um und sehe sich weiterhin Katzenbilder an. Danke.
Gute Güte, lieber Leser, was machst du denn schon wieder hier? Vom Titel angelockt? Ts ts ts, also wirklich. Als gäbe es im Leben nichts interessanteres als Sex.
…
Moment.
Gibt’s nicht?
Stimmt, da war was. Das nennt sich Natur. Die hat es jeder Spezies eingeimpft, überleben zu wollen, und da das im Allgemeinen meist durch Sex funktioniert, steht der Mensch auf Sex. Da kann er nix dafür, Mama Natur ist schuld. (Praktisch, oder?)
Nun, für Falter-chan hat die ganze Sache einen großen Nachteil: Autoren sind auch Menschen, und Autoren haben Sex in Form von Adult-Kapiteln (naja, sozusagen). Vielen Adult-Kapiteln. Seeeeeeeeeehr vielen Adult-Kapiteln. Und die meisten davon sind nicht sehr gut. Leider. Falter-chan hat sich deswegen überlegt, in ihrem Weblog ein paar entsprechende Tipps zu geben, und bisher lief das ja auch gar nicht so schlecht. Fassen wir noch nochmal zusammen, was wir letztes mal gelernt haben:
das Genital des durchschnittlichen Mannes ist kein automatisches Maschinengewehr
und der Anus ist keine Transitautobahn
Soweit, so gut. Heute kommen wir zu einem etwas komplizierterem Thema: der Ästhetik.
Die Ästhetik ist in erster Linie darum kompliziert, weil es keine absoluten Qualitätsmerkmale gibt. Jeder findet was anderes ansprechend, und über Geschmack lässt sich angeblich nicht streiten. Deswegen wird Falter-chan jetzt auch keine Abhandlung darüber schreiben, wie man eine perfekte Sexszene für Falter-chan schreibt (leider), sondern sich eher allgemein halten.
Unser erster Punkt schließt nahezu nahtlos an die vorletzte Episode an:
Recherchieren du sollst, junger Padawan
Falter-chan musste im Laufe ihres Lebens schon eine Menge Brösel lesen, und sehr viel davon war einfach nur mieser Stil. Dagegen ist kein Kraut gewachsen. In anderen Fällen hingegen hätte sich der headdesk-Faktor für alle Beteiligten drastisch senken lassen, wenn der Autor mal Google angeworfen hätte, statt einfach schnell das erstbeste zu schreiben, was ihn geil macht ihm einfällt. In diese Kategorie fällt zB die gesamte Episode 10, aber auch andere Sternstunden. Also:
bist du dir nicht ganz sicher, wie so eine männliche Ejakulation abläuft, weil du selbst schlicht und ergreifend eine Frau und noch Jungfrau bist? Kein Problem! Google hilft. (Und denk nicht zu viel über die NSA nach, die interessieren sich viel mehr für die Terrorpläne von deinem Nachbarn.)
kennst du dich bei der Anatomie des Arschloches nicht so ganz aus, weil du das de facto nur auf dem Klo brauchst, und es da alles allein macht? Kein Problem! Google hilft.
hast du leider keine Ahnung, wie BDSM so funktioniert, und willst Fifty Shades of Grey nicht als Quelle verwenden? Weise Entscheidung! Außerdem: kein Problem! Google hilft.
Ebenfalls in diese Sparte fallen übrigens so Bitte-Hirn-einschalten-Szenen wie das leckere Rimming, der Superseme der seinen Partner allein mit der Kraft seines Schwanzes in die Luft heben kann, und das Platzproblem beim Gruppensex (denkt immer dran: an diesen schicken Penissen hängt immer noch je ein Mann dran. Und die muss man irgendwo unterbringen im Bett).
Damit jetzt aber wirklich ab zum ästhetischen Kram.
Too much information
Eine legendäre Autorin hat einmal diese legendäre Sexszene geschrieben:
Und so fickten sie stundenlang.
Zugegeben, das ist etwas arg wenig Information. Grundsätzlich war sie aber gar nicht mal auf dem falschen Dampfer bei dieser Vorgehensweise, denn ironischerweise ist das, was Sexszenen am effektivsten versaut – Sex. Beziehungsweise dessen Beschreibung. Die Form des Penis? Die Hautbeschaffenheit des Anus? Der genaue Rhythmus der Stöße? Interessiert keine Sau.
Es ist sehr schwer, zu diesem Punkt eine tatsächliche Anleitung zu geben, denn die einen finden solche Beschreibungen erotisch, andere jene, und die dritten kriegen bei jeder Art Beschreibung die Krise. Grundsätzlich können aber drei Dinge mit Sicherheit gesagt werden:
Sex ist keine hohe Poesie
Sex ist kein technisches Fachbuch
und im Zweifel ist weniger immer mehr.
Was heißt das? Das heißt in erster Linie: lass die körperlichen Details weg. Dein Leser wird jede weiße Lücke, die du ihm lässt, automatisch mit dem Inhalt füllen, der ihm am besten gefällt. Also genau das, was du als Autor ohnehin erreichen wolltest. Wenn du dich dabei ertappst, minutiös zu beschreiben, wer wann was wo gemacht hat, schreibst du dich wahrscheinlich gerade selbst in eine Ecke, denn solche Beschreibungen wirken oft trocken, kalt, technisch und dezidiert unerotisch. Es geht beim Sex nicht in erster Linie darum, dass A seinen 18 cm langen, leicht nach links gekrümmten Schwanz im Dreivierteltakt etc pp. Es geht um das Gefühl, das die zwei (, drei, vier) dabei haben, und das wirst du nicht durch die Befolgung von Schema F erschaffen können – leider.
Mehr oder weniger poetische Umschreibungen in Sexszenen (Lotusknospe, Lustgrotte, Marzipanhaut auf der poetischen Seite, großer Liebeskolben, harter Pflock, herb duftende Männlichkeit auf der weniger poetischen Seite) machen sie übrigens genauso unerotisch – allerdings, weil sie lächerlich klingen. Sex hat relativ wenig mit Blümchen und Harfenmusik zu tun, also nenn die Dinge ruhig beim Namen. Entgegen der landläufigen Meinung ist noch niemand am Schock über die namentliche Nennung von Körperteilen gestorben.
Und wenn du dich nicht traust, üb es einfach – öffne ein Dokument, und schreib das Wort das dir Probleme macht dreimal ohne Kontext auf. Dann dreimal mit Artikeln. Dann drei kurze Sätze. Dann drei lange Sätze. Es ist gar nicht so schwer.
Und unser letzter Punkt für heute:
Das HdR-Problem
Der Grund, warum so viele Leute die Bücher zum Herrn der Ringe furchtbar fanden, obwohl die Filme (und damit der Plot und die Charaktere) doch sooooo tooooooll sind, ist, dass der gute JRR einfach nie wusste, wann Schluss ist. Umberto Eco hatte beim Namen der Rose übrigens ein ganz ähnliches Problem, als er es irgendwie schaffte, sieben Seiten lang ein Kirchentor zu beschreiben. (Seiten 59 bis 65, falls wer nachschlagen will.)
Und was hat das jetzt mit Sex zu tun? Naja, folgendes.
Ein interessierter Leser lebt mit der Geschichte mit. Wenn also Tolkien über hunderte von Seiten über die Landschaft Mittelerdes doziert, und Eco einfach nicht zum Punkt kommt, was das Design von Holzstatuen angeht, ist das grundsätzlich erstmal nicht deren Problem, denn sowohl Landschaften als auch Figuren sind statisch und werden betrachtet. Über längere Zeit. Sex hingegen wird erlebt, und dauert meist nur so lange, bis eine Art von Höhepunkt und damit Befriedigung da ist – und das gilt für die Charaktere UND die Leser.
Der Mensch ist nun physiologisch nicht in der Lage, sexuelle Erregung ohne neue Stimulanz allzu lange aufrecht zu erhalten, und darum, so leid es Falter-chan tut, müssen deine Charaktere zum Schuss kommen, bevor der Leser sich langweilt. Was im Allgemeinen schon nach ein paar Minuten der Fall ist, wir sind da nicht besonders gut ausgerüstet. Sex ohne Abschluss ist nun immer eine recht frustrierende Angelegenheit, und das ist leider genauso, wenn man eigentlich nur unbeteiligter Zuschauer/Leser ist, und der Abschluss nur darum fehlt, weil der Pepp ab der Hälfte nicht mehr da war.
Faustregel: was du nicht in einem Durch schreiben kannst, wird auch dem Leser zu lang sein.
Faustregel mit Zahlen: versuche, immer unter 2000 Worten pro Szene zu bleiben. Besser noch unter 1500. (Du kannst natürlich mehrere Sexszenen in ein Kapitel packen. Aber serviere sie einzeln mit nicht-Sex-Überleitungen.)
Tja, und damit... wären wir auch schon am Ende. Für diesmal. Aber keine Angst, Falter-chan geht der Stoff zum quasseln noch nicht aus! Noch nichtmal der pikante! In der nächsten Sex Sells Schreibstube (wann auch immer die kommen wird) widmen wir uns dann nämlich einer etwas ernsteren Facette der Erotik-Schreiberei: „warum deine Mutter einen Herzinfarkt bekommen wird, wenn sie erfährt, was du so liest/schreibst“. Aka „das Twilight-Phänomen“. Aka „körperlicher und emotionaler Missbrauch in der Beziehung und warum der nicht romantisch ist“.
Bis dahin wünschen wir dir einen erquicklichen Karfreitag, und bleib stark für die letzten 48 schokofreien Stunden!
PS: An dieser Stelle nochmal die Aufforderung: falls ihr Themen habt, die ihr gerne behandelt sehen würdet (egal ob Grammatik, Stil, Ausdruck oder sonst was), sagt es bitte einfach. Dafür gibts Kommentare - und ENS =)